Mein Geburtsbericht
Bevor du weiterliest, möchte ich eine Triggerwarnung aussprechen. Unsere Geburt und der ganze Prozess bis zur Entbindung waren zwar definitiv nicht schmerzfrei, aber selbstbestimmt, bestärkend und insgesamt eine positive Erfahrung für uns. Leider hatte unser Baby jedoch eine Nabelschnurumschlingung, weshalb wir nicht den gemeinsamen, friedlichen Start haben konnten, den wir uns gewünscht hätten. In unserem Fall ist es aber zum Glück dennoch gut ausgegangen und so kann ich heute, nach einigen Monaten Abstand, diese redigierte Fassung meiner Notizen am Tag nach der Geburt veröffentlichen.
Latenzphase
Genau genommen ging es schon in der Nacht von Donnerstag auf Freitag (meinem ET) los – plötzlich war da gegen halb 1 das Gefühl: es ist alles anders als vorher, da tut sich was. Ich habe dann nochmal geschlafen, gegen 3 Uhr morgens war die Nacht dann aber endgültig vorbei und ich verbrachte die frühen Morgenstunden wippend auf dem Ball im Flur. Ich erinnere mich noch an das ständige Gefühl von Kommen und Gehen, was rückblickend betrachtet wohl Senkwehen gewesen sein müssen. Ich bat C, Urlaub zu nehmen und mich später zu meinem Kontrolltermin bei der Frauenärztin zu fahren. Und so fuhren wir gemeinsam in die Stadt, mit der fertig gepackten Kliniktasche im Kofferraum und einem Handtuch unter mir (für alle Fälle). Aufgrund der Pandemie durfte C leider nicht mitkommen, er setzte mich also bei meiner Ärztin ab und vertrieb sich die Zeit im Fahrradladen. Im CTG waren Miniwehen erkennbar, allerdings nichts, was nicht auch schon beim letzten Termin dagewesene wäre. Beim Untersuchungsgespräch fragte mich die Ärztin dennoch nach meinem Gefühl und ich sagte ihr, dass es sich anders anfühle als bisher. Aufgrund meiner Aussage beschloss sie, mich doch ausführlich abzutasten und einen Ultraschall zu machen, wo sie mein Gefühl bestätigte. Der Gebärmutterhals sei jetzt deutlich verkürzt und auch der Muttermund schon weich. Sie bat mich, pseudomäßig einen Termin für Montag auszumachen, glaubte aber nicht, dass sie mich nochmal vor der Geburt sieht. Damit sollte sie recht behalten. Bisher hatte ich immer gehört und gelesen, dass die ersten Wehen unregelmäßig seien und in größeren Abständen aufeinander folgen würden. Ich jedoch hatte alle drei Minuten für 30 Sekunden gut aushaltbare, locker plauderbare Wehen, was wir regelmäßig stoppten. Wir verbrachten den Nachmittag also mit quälendem Warten – C werkelte in der Garage vor sich hin und ich saß auf einem Campingstuhl neben ihm. Meine Schwiegermutter, die früher auch einmal Hebamme gewesen war, bestätigte später, was ich schon wusste, aber nicht gern hören wollte: Die Intensität muss sich noch verstärken, sonst sind sie nicht muttermundwirksam. Sie verordnete uns dann einen Spaziergang, den wir mit Freuden zum Rathauscafé antraten. Auf den Stufen der Dorfkirche schlotzten wir ein Eis, was C dann wegen der Laktose später bereute, ich genoss meine Kombi (Schoki+Aprikose) aber sehr. Den ganzen Tag ging es so weiter. Meine Unsicherheit stieg, schließlich war ich zum ersten Mal in der Situation. Gegen 18 Uhr bat ich C, doch die Vertretungshebamme, die praktischerweise in unserer Straße wohnt, zu holen, weil die Wehen begannen, intensiver zu werden. Nachdem er dort nur ihre Tochter angetroffen hatte, kam sie wenig später doch zu uns, konnte aber nur wenig tun. Gleicher Befund wie schon am Nachmittag. Wir aßen zu Abend (ich verdrückte drei Spiegeleier!), fütterten die Nachbarskatzen und beschlossen, den Disneyfilm Tarzan anzuschauen. Während des Films döste ich ein wenig. Trotz des Kissenturmes, den C mir anschließend im Bett baute, damit ich im Vierfüßler sein konnte, war für mich an Schlaf nicht zu denken. Ich merkte, dass die Wehen nun an Intensität zugenommen hatten.
Eröffnungsphase
Um 00:16 Uhr, nachdem ich mich stundenlang zwischen Schlafen und Wachen befunden hatte, hielt ich es nicht mehr aus. Ich beschloss, C zu wecken, damit wir ins KKH fahren können, auch auf die Gefahr hin, dass man uns wieder heimschicken würde. Beim Rückwärts-Ausparken wählte C bereits die Nummer des Kreißsaals und meldete uns vor. Unsere Corona-Zettel hatten wir bereits vorausgefüllt und mussten sie jetzt nur noch unterschreiben. Ich musste mich während der Fahrt schon stark konzentrieren und merkte, dass mir das Sitzen sehr unangenehm war. In der Klinik angenommen wurde ich zunächst ambulant aufgenommen und es wurden Nasenabstriche für die Tests genommen. Wir wurden in den CTG-Raum geschickt und schrieben dort erstmal eine halbe Stunde. Für C war es das erste Mal, dass er überhaupt bei so etwas dabei war. Nach dem negativen Testergebnis durfte ich die Maske abnehmen, C musste seine aufbehalten. Danach warteten wir auf den Doktor für einen Ultraschall, der allerdings nie erfolgte, und auf die Hebamme zum Muttermundtasten. Mittlerweile musste ich mich auf die Wehen schon sehr konzentrieren. Einige Zeit später – im Kreißsaal war in dieser Nacht einiges los – kam „unsere“ Klinikhebamme zum Tasten und sagte: „Super, den Gebärmutterhals haben sie schon gut weggearbeitet.“ Ich wusste in diesem Moment nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder weinen wollte… Glücklicherweise war das dann aber immerhin wohl das Signal dafür, dass wir dableiben und mich stationär aufnehmen lassen durften. Der Fußmarsch vom Kreißsaal zur Anmeldung und zurück legten bei den Wehen nochmal eine Schippe drauf, jetzt musste ich bereits jedesmal stehen bleiben und mich an C festhalten. Zurück im CTG-Raum, da alle anderen Aufenthaltsräume wohl belegt waren, setzte sich C auf das Fensterbrett und ich mich auf die Liege davor, so dass ich mich an ihm anlehnen und seine Hand drücken konnte. Wir machten unsere Version der Gebärhocker-Position aus dem Vorbereitungskurs. Als die Hebamme das nächste Mal kam, fragte sie bei unserem Anblick verwundert: „Jetzt schon?“ und fügte dann hinzu: „Wir ziehen wohl besser mal in den Kreißsaal um.“ C stützte mich und die Hebamme kam mit unserem Gepäck (Kliniktasche, Wickeltasche mit Babysachen, Cs Tasche) hinterher. Angekommen machte ich weiter Wehenarbeit auf dem Gebärhocker und auf den Ball gestützt und merkte dabei, wie meine Kräfte schwanden. Irgendwann kam ein Arzt, wir sahen ihn dort zum ersten und letzten Mal, um mit mir ein Anamnesegespräch zu führen. Die Antworten presste ich in den Wehenpausen heraus. Unsere Hebamme war für Entspannung, bedauerte mich, dass ich so viele, schnell aufeinanderfolgende Wehen hatte, sie wollte lieber weniger, dafür wirksamere Wehen haben. Ich merkte ebenfalls, dass ich langsam nicht mehr konnte und fragte, welche Schmerzmittel es denn gäbe. „Wollen Sie die Einstiegsdroge oder einen Hammer?“, woraufhin ich mich für die Einstiegsdroge entschied und Buscopan bekam. Wenige Minuten später hatte ich tatsächlich kurz genug Ruhe und Kraft, um auf die Toilette zu gehen, C schloss währenddessen kurz die Augen. Nach einer für mich quälend langen Zeit sprang endlich die Blase, als ich gerade im Vierfüßlerstand war und meine Unterarme auf dem Ball abstützte. Eine andere Hebamme, die gerade zufällig vorbeikam, sagte, das sei typischerweise das Ende der Eröffnungsphase. Angesichts der Aussicht, wie lange es jetzt noch dauern könnte und was noch auf mich zukommt, überfiel mich, ehrlich gesagt, ein bisschen Panik. C hielt und stützte mich, wärmte mich, ließ mich seine Hand drücken, er war in all dem wirklich die beste Stütze, die ich mir hätte wünschen können.
Austreibungsphase
Unsere Hebamme kam zurück und bat mich, nachdem sie leider in meiner momentanen Position die Herztöne des Babys nicht richtig überwachen konnte, aufs Bett zu steigen, damit wir kurz ein CTG schreiben können. Ich wuchtete mich aufs Bett, alles in mir schrie jedoch, wie unangenehm das ist. Ich bekam noch ein pflanzliches Zäpfchen, da der Muttermund auf einer Seite noch mehr verschlossen war. Ich hielt es gerade so lange aus wie nötig und rief dann laut, dass mir egal ist, was wir anders machen, aber dass wir irgendwas anders machen müssen. Ich blieb also vor dem Bett stehen, gestützt vom armen C und am Rücken gewärmt von unserer lieben Hebamme. Bisher konnte ich alles noch einigermaßen nur mit Atmen überstehen, jetzt kamen jedoch die Töne dazu, ich konnte nicht anders, es kam einfach aus mir heraus. C erzählte mir später, dass er in diesem Moment dankbar für seine Maske war – da er solche Töne von mir noch nie gehört hatte, musste er nämlich fast lachen und so konnte es zumindest niemand sehen, denn auch Ohm war klar, dass das in der jetzigen Situation eher weniger angebracht war. Mir war dagegen gar nicht zum Lachen, ich kam nun mit dem Atmen nicht mehr nach und C begann, mit mir zu atmen. Im Vorbereitungskurs besprachen wir, dass nahezu jede Frau an den Punkt kommt, an dem sie denkt, sie kann nicht mehr. Dieser Punkt war für mich jetzt gekommen. Unsere Hebamme blieb jedoch ganz ruhig, ließ sich nicht beirren, erinnerte mich nur immer wieder ans Ausatmen und lobte mich, feuerte mich geradezu an. Ich hängte mich ans Seil, das praktischerweise ohnehin über dem Bett hing und ließ mich – von C gestützt – bei den Wehen nach unten fallen. In den Wehenpausen legte ich den Oberkörper auf dem Bett ab, um Kraft für die nächste Runde zu sammeln. In diesen Momenten war ich halb besinnungslos und konnte kaum die Augen offen halten. Ich wollte aufgeben, doch die Hebamme sagte mir, dass ich noch mehr könne. Schließlich bemerkte ich den zusätzlichen Druck des Köpfchens und wusste intuitiv, dass ich jetzt mitschieben muss. Auch die Hebamme sagte mir, dass ich alle Energie nach unten schieben soll, aber ich wusste nicht, wie. Welche Energie? Ich gab mein Bestes und schrie aus vollster Kehle. „Weniger Schreien, mehr Schieben“, kommentierte die Hebamme ruhig, aber bestimmt. Der Druck nahm weiter zu, ich spürte jetzt das Köpfchen. Unsere Hebamme ließ mich irgendwann sogar tasten. In diesem Moment wollte ich nur noch, dass alles endlich vorbei ist und ich mein Baby in den Armen halten darf. Nach jeder Wehe, bei der ich mich nach unten fallen ließ, musste ich mich wieder vom Boden aufrichten. Dabei rutschte das Köpfchen immer wieder zurück, bis es irgendwann festzustecken schien. C konnte es quasi unter uns baumeln sehen und war ziemlich erschrocken, was aber sowohl er als auch die Hebamme sich nicht anmerken ließen. Jetzt gab es keine Linderung mehr, selbst in den Wehenpausen nicht mehr. Ich mobilisierte alles, was ich in mir hatte, wollte es einfach nur noch zuende bringen. Ich rief noch: „Alles brennt!“ Und dann war mein Kind geboren. Samstagmorgen 6:50 Uhr, ET+1. Ich war eine Mama geworden. Schlagartig fiel der Druck von mir ab. Ich konnte zum ersten Mal die Augen öffnen und sah leider nur Rot und dazwischen mein blau angelaufenes Baby, welches die Hebamme aufgefangen hatte. Ich hörte, wie sie über die Sprechanlage Unterstützung anforderte. C informierte mich darüber, dass B da ist, dass er aber die Nabelschnur um den Hals hat. Das ist bestimmt nichts Schlimmes, dachte ich noch halb im Delirium, es ist doch alles gut, es muss alles gut sein. „Die Kinderärzte in den Kreißsaal“ hieß es dann aber und ich musste mein Baby, noch ehe ich Gelegenheit gehabt hatte, es mir richtig anzuschauen und zu halten, abgeben.
Nachgeburtsphase
Plötzlich waren gefühlt hundert Menschen im Zimmer, mein Kind war endlich da, musste aber gleich abgenabelt werden, weil es Atemschwierigkeiten hatte. C schnitt die Nabelschnur durch, danach wurde unser Baby direkt den Kinderärzten übergeben. Ich sollte mich aufs Bett legen, war jedoch in Sorge um mein Kind. Ich fragte mehrfach: „Wo ist mein Baby? Warum nehmen die mir mein Baby weg?“ und C gab sein Möglichstes, mich zu beruhigen. Über die Nachgeburt dachte ich überhaupt nicht mehr nach, einmal kurz Pressen und sie flutschte einfach heraus. Ich hörte die Hebammen von Blutverlust und Geburtsverletzungen reden, mir war alles egal, ich wollte einfach nur mein Kind haben. Leider musste B tatsächlich auf die Neo-Natalogie mitgenommen werden, da seine Sauerstoffsättigung und der pH-Wert zu niedrig waren. Damit war leider kein Bonding und auch kein Stillen möglich. Ich war am Boden zerstört, denn während all der Wehen hatte ich mir immer diesen magic moment vorgestellt. C kämpfte wie ein Löwe, damit ich ihn wenigstens zwei Minuten auf mir haben durfte, bevor ich ihn erneut abgeben musste. Dieser Moment war selbst nach all den Schmerzen das Schlimmste, was ich je erlebt habe.
Auch wenn uns das friedliche Kennenlernen leider im Krankenhaus verwehrt blieb, konnten wir all das später nachholen. Schon wenige Tage danach waren B und ich wieder ein Herz und eine Seele und nach ein bisschen Mühe klappte auch das Stillen hervorragend. Ich hatte wunderbare Unterstützung sowohl in der Klinik als auch zuhause natürlich. C war mein Fels, mein Halt, mein Held. Diese elementare Erfahrung hat uns sehr eng zusammengeschweißt und wir sind beide dankbar, das gemeinsam durchlebt zu haben und nun einen gesunden Sohn zu haben.












